Beobachtung (auch Kontextanalyse / Contextual Inquiry) ist eine ethnografische Forschungsmethode, bei der Menschen in ihrer natürlichen Umgebung beobachtet und interviewt werden, um ein tiefes Verständnis für ihre Arbeitspraktiken und Verhaltensweisen zu gewinnen. Der Fokus liegt dabei auf der Erfassung kontextuell relevanter Informationen und der Aufdeckung der mentalen Modelle der Personen. Die Methode wird qualitativ durchgeführt (mit wenigen Testpersonen), um einen Eingriff in das Arbeitsumfeld zu minimieren. Oftmals wird diese Methode früh im Produktentwicklungsprozess angewendet und soll wertvolle Erkenntnisse zur Gestaltung von Designentscheidungen und zum Verständnis komplexer Systeme und der Perspektive erfahrener Benutzer*innen sammeln.
Es ist wichtig, Vorurteile und Risiken zu vermeiden, wie zum Beispiel dass Teilnehmer*innen in den Interviewmodus wechseln oder die Sitzung zu einer Beschwerdesitzung wird. Meist wird die Beobachtung mittels Video aufgezeichnet und eine Moderation beobachtet und interviewt. Seltener kann die Beobachtung auch ganz ohne Moderation erfolgen.
Hier ein paar Beispiele, was z.B. in einer Arbeitsumgebung beobachtet werden könnte:
- Sitzposition und Körperhaltung
- Nutzungsverhalten am Arbeitsplatz (z.B.: Wie oft wird das Telefon verwendet? Wie viel Zeit wird mit dem Verwenden der Software verbracht? Wie lange benötigt die Person für das Abschließen einer Aufgabe?)
- Bewegung (Wechselt die Person zwischen Sitz- und Stehposition? Wie oft verlässt die Person den Arbeitsplatz?)
- Soziale Interaktion (Kommt die Person mit den Kolleg*innen ins Gespräch? Wird über persönliche Aspekte gesprochen? Wie viel Zeit wird dabei verbracht?)
- Kommunikationsverhalten (In welchen Situationen spricht die Testperson mit anderen Menschen? Wie schnell kommt die Testperson an die gewünschte Information? Arbeit mit mehreren Applikationen gleichzeitig und Wechsel zwischen den Applikationen).
Tipps & Tricks
Vorbereitung
- Für jede Testperson eine Einverständniserklärung vorbereiten.
- Die Länge einer Beobachtung so wählen, dass in diesem Zeitraum typische Abläufe beobachtet werden können, beispielsweise soziale Interaktion mit Kolleg*innen, gewisse Arbeitsabläufe
oder wie sich das Sitzverhalten verändert.
- Testpersonen akquirieren (eine Anzahl von 8 Testpersonen gilt als Minimum für diese Methode).
- Aufbau vor Ort: Die Kamera so platzieren, dass sowohl die Testperson als auch die unmittelbare Arbeitsumgebung gut erkennbar ist. Idealerweise wird die Kamera vor der neutralen Sitzposition der Testperson platziert, falls nicht möglich muss sie seitlich der Person aufgestellt werden.
- Optional: Für die Testleitung einen Sitzplatz im Hintergrund vorbereiten, von dem aus die Testperson und deren Verhalten gut beobachten werden kann.
Durchführung
- Testperson Einverständniserklärung zur Unterschrift vorlegen.
- Die Testperson geht ihrer alltäglichen Tätigkeit nach, während die Testleitung sie passiv beobachtet. Bei Unklarheiten sollte sich die Testleitung Notizen machen, um am Ende der Beobachtungsphase Fragen dazu stellen zu können.
- Nur in wirklich dringenden Situationen sollten unmittelbare
Fragen an die Testperson gestellt werden, um den Eingriff in die alltägliche Arbeit möglichst gering zu halten.
- Die Testleitung verwendet einen schriftlichen Leitfaden um die Beobachtung zu dokumentieren.