Expert Usability und UX Review ist ein Evaluierungsprozess, bei dem Usability-Expertinnen das Benutzerinnenerlebnis (User Experience) einer Website, einer Anwendung oder eines Produkts bewerten. Dabei analysieren sie die Benutzerinnenfreundlichkeit, die Navigation, das visuelle Design, die Informationsarchitektur und andere relevante Aspekte, um Schwachstellen und Verbesserungspotenziale aufzudecken. Sie verwenden dabei bewährte Methoden wie Heuristische Evaluierung, kognitive Walkthroughs, oder auch Checklisten, um eine fundierte Bewertung abzugeben. Die Ergebnisse werden in einem umfassenden Bericht zusammengefasst, der detaillierte Empfehlungen zur Optimierung der Benutzerinnenerfahrung liefert. Ein Expert Usability und UX Review kann Unternehmen dabei helfen, Benutzer*innenprobleme zu identifizieren, die Konversionsrate zu verbessern und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Es ist eine effektive Methode, um das Design und die Funktionalität eines Produkts vor der Einführung oder während des Entwicklungsprozesses zu überprüfen und zu optimieren.
Tipps & Tricks
Nachfolgend werden Tipps & Tricks zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Expert Reviews beschrieben.
Vorbereitung
- Auswahl von Expertinnen: Die Expertinnen sollten über umfangreiches Wissen und Erfahrung im Bereich Usability und User Experience verfügen. Idealerweise sollten sie mit den spezifischen Anforderungen des zu bewertenden Produkts vertraut sein.
- Auswahl der Methode: Cognitive Walkthrough, Heuristiken, Guidelines oder Checklisten. Bei Heuristiken, Guidelines oder Checklisten: für das Produkt passende Heuristiken, Guidelines oder Checklisten wählen und ggf. adaptieren.
- Definieren von Zielen: Im Voraus sollen klare Ziele für das Expert Review festgelegt werden, wie z.B. die Identifizierung von Usability-Problemen, die Bewertung der Benutzerinnenfreundlichkeit oder die Überprüfung des visuellen Designs. Dies ermöglicht eine gezielte Auswertung und Fokussierung der Expertinnen.
Vorbereitung Cognitive Walkthrough
- Definieren von Zielgruppen und deren Ziele:
- Gibt es für das Produkt mehrere Zielgruppen?
- Wenn ja, wer ist die Zielgruppe im Rahmen des Reviews? Alter, (medientechnische) Erfahrungen, Entscheidungskriterien für Produkt und weitere relevante Informationen bereitstellen
- Ermitteln der möglichen Handlungssequenzen (Aufgaben) für
Zielerreichung:
- Welche Ziele will die Zielgruppe mit dem Produkt erreichen?
- Ziele beschreiben und passende Aufgaben festlegen.
- Festlegen einer typischen Zielerreichungssequenz: Für jede Aufgabe wird eine Zielerreichungssequenz festgelegt. Welche Schritte sind notwendig, um die Aufgabe zu bewältigen?
- Beispiel:
- Zielgruppe: 65-70-jährige Pensionist*innen
- Ziel: Telefonieren mit Handy/ Smartphone
- Zielerreichungssequenz: Einschalten, Telefon aufrufen, Nummer wählen, anrufen
- Beispiel eines Cognitive Walkthrough in Videoform:
https://www.youtube.com/watch?v=Edqjao4mmxM
Durchführung
- Cognitive Walkthrough:
- Expert*in versucht schrittweise das Ziel zu erreichen
- Suchen nach Ähnlichkeiten im Interface mit der Aufgabenbeschreibung
- Ausführen einer Aktion, die eine Zielerreichung mit möglichst wenig Schritten verspricht
- Vergleichen der Systemreaktion mit den Erwartungen
- Festlegen des nächsten Schrittes
- Bei jedem Schritt wird nach kognitiven Barrieren gesucht:
- Wird Nutzer*in versuchen, die korrekte Aktion auszulösen?
- Kann Nutzer*in erkennen, dass die gewünschte Aktion zur Verfügung steht?
- Kann Nutzer*in den Zusammenhang zwischen der korrekten Aktion und der gewünschten Auswirkung erkennen?
- Werden alle Fragen mit “Ja” beantwortet handelt es sich um eine Success-Story, ab einem “Nein” ist es eine Failure Story.
- Schwachstellen dokumentieren (betrifft alle 4 Methoden): die Expert*innen sollten alle identifizierten Schwachstellen, Probleme und Verbesserungspotenziale detailliert dokumentieren. Die Verwendung von Heuristiken, Checklisten oder Guideliens macht die Bewertungen dabei vergleichbar.
- Kollaboration und Diskussion: Expertinnen sollten ihre Bewertungen und Erkenntnisse aktiv diskutieren. Der Austausch von Perspektiven und Ideen kann zu einem umfassenderen Verständnis der Benutzerinnenerfahrung führen und weitere Einsichten bieten.
Auswertung
-
Priorisierung der Empfehlungen: Nach Abschluss des Reviews sollten die identifizierten Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge nach ihrer Relevanz und Auswirkung auf die Benutzer*innenerfahrung priorisiert werden. Dies ermöglicht es, die Ressourcen effizient einzusetzen und die wichtigsten Probleme zuerst anzugehen.
- Beispiel Problembewertung heuristische Evaluation: Die Testszenarien werden von mehreren Usability Expert*innen getrennt durchlaufen und mit den Heuristiken verglichen. Es entsteht eine erste Problemliste, die dann gemeinsam zu einer Gesamt-Problemliste kompiliert wird. Anschließend werden die Probleme aus der Gesamt-Problemliste hinsichtlich Qualität der Nutzung, Häufigkeit des Auftretens, und der Behebbarkeit anhand folgender Formel bewertet:
- Problembewertung = Qualität der Nutzung * (Häufigkeit des Problems + technische Behebbarkeit).
- Die Bewertung dient dazu, die Probleme zu reihen - jene mit einer hohen Punktzahl empfehlen sich für eine schnelle Behebung, da sie eine schwerwiegende Nutzungseinschränkung bei hoher Auftrittshäufigkeit mit einfacher technischer Behebbarkeit darstellen.
Punkte |
Qualität der Nutzung |
Häufigkeit des Problems |
Technische Behebbarkeit |
0 |
Verstoß gegen Heuristik ohne problematische Folgen |
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|
1 |
kleines Usability-Problem, Einfluss auf Ästhetik |
betrifft nur wenige NutzerInnen/ spezielle Situationen |
tiefgreifende Änderungen an Funktionalität von Programm und Backend |
2 |
merkbarer Einfluss in Nutzung |
betrifft großen Teil der NutzerInnen/ manche Standardsituationen |
Änderungen an Funktionalität von Programm oder Backend |
3 |
schwerwiegende Nutzungseinschränkung |
betrifft alle NutzerInnen in allen Standardsituationen |
kleinere/kosmetische Ausbesserung beim Programm oder kleinere funktionale Änderungen am Backend |
4 |
einwandfreie Nutzung nicht möglich, muss behoben werden! |
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-
Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen: Der Bericht des Expert Reviews sollte klare und umsetzbare Handlungsempfehlungen enthalten. Dies erleichtert es den Verantwortlichen, die identifizierten Probleme anzugehen und Verbesserungen umzusetzen.
- Inhalt des Reports
- Ziel der Evaluation
- Was sollte sie bringen? Was waren die Erwartungen?
- Zielgruppen des Produktes
- Auf welche Nutzer*innengruppe wurde fokussiert?
- Welcher Teil des Produktes wurde getestet?
- Beschreibung von Methodik und Durchführung
- Definition der Bewertung
- Wie kam das Ergebnis zustande?
- Gefundene Probleme mit Erklärung
- (Verbesserungsvorschläge)
- Ergebniszusammenfassung bzw. -überblick